Meine Gesellenprüfung zum Dom bei Graz

10h30: Nun also ist es soweit. Auf dem Weg in die Stadt hab ich mir genügend Kleingeld bei der Bank in Andritz organisiert. Ein handgeschriebenes Plakat und allerlei “Tools” um auch noch ein Schildchen für Thomas S. fabrizieren zu können. 75 € in kleinen Münzen (10 Ct. bis 1 €) plus zwei exemplarische 5 € Scheine sind die Ingredientien meines Lehrversuchs unter Führung meines Meisters Thomas S. Wir treffen uns bei der Herz-Jesu Kirche, die Sonne scheint es ist ein herrlicher Sonntag. Hmm nicht allzuviel los, ein paar Leute sitzen auf den Bänken vor der Kirche und eine Gruppe von Messbesuchern steht noch vor der Kirche. Ich warte auf Thomas und dass die zweite Messe beginnt, an deren Ende wir unseren Grazversuch starten wollen.

11h00: irgendwie komisch scheints uns dann doch und ich frage die letzten Verbleibenden der Gruppe wann denn die zweite Messe aus sei – DARN – In den Sommerferien gibt es keine zweite Messe – WARS DAS? Nein der Herr schickt uns ein “Engelsheer” und verrät uns durch einen der Gruppe: Im Dom ist noch eine Messe und die endet um 11h30. Also auf zum Dom!

11h30: Der Dom ist gut besucht, ein Orgelkonzert und VIELE Besucher. Thomas und ich stellen uns auf. Ca. 8 Meter von der Gruppe entfernt. Die ersten 5 Minuten vergehen träge. Manch Eine(r) entdeckt uns, “spitzt” kurz die Augen, aber niemand traut sich zu uns.

ernstderpluenderer

(c) Gregor Schlatte

11h35: Ernst der Plünderer. Gut gebaut, ganz in schwarz nähert sich Ernst. Sein primäres Ziel ist Thomas, dessen Teller er nach kurzem Zögern ausleert. Ich grinse ein bischen schadenfroh. Der Meister. Ja sicherlich – Ziel ist es Ja das Geld zu verschenken, aber so schnell und ganz ohne Gespräche wars ja auch wieder nicht geplant.

11h37: Ernst Doublefeature. Na Logisch, als Ernst auch mich entdeckt, strebt er zielstrebig zu seinem Doublejackpot. Von der anderen Seite nähert sich eine Frau aus vermutlich der Slowakei. Vom Leben und manchen Entbehrungen gezeichnet, möchte auch Sie diesem merkwürdigen Teller auf den Grund gehen. Ernst ist schneller, beginnt bereits Geld aus dem Teller zu schaufeln. Wird Menschlichkeit, Fairness, Mitgfeühl vor einer Kirche obsiegen, in einer Welt in der Mann/Frau die Semmel aus dem Mistkübel holt um etwas zum Abendessen zu haben? Ernst gewinnt, aber auch die Frau nimmt schlussendlich ihren Rock zu Hilfe um die verbleibenden Kleinstmünzen abzugrasen. Kurz entwickelte sich fast so etwas wie Raffgier bei beiden. Aber zu keinem Zeitpunkt war irgendeine Art von Gegeneinander zu erkennen. Am Ende hilft Ernst der Frau sogar noch beim Schaufeln in den Rock.

11h40: Zu spät gekommen. Der Mann vom Vinzinest traut seinen Augen nicht, als er von der Ferne die Geldmengen sieht. Behenden Schrittes nähert er sich uns, während Ernst und die Frau scheffeln. Doch zu spät, Thomas’s und mein Teller sind leer – 75 € in 5 Minuten. Und dann das Zeichen. Das Zeichen, dass wir auch unter widrigsten Umständen Menschen bleiben können. Menschen im besten Sinne des Miteinander. Ernst und die Frau teilen mit dem Vinzinest-Mann. Beide geben ihm etwas ab, ohne Gejammer oder Zögern. Sicherlich nicht die Hälfte des Gewinns, aber doch ein Zeichen:

Menschlichkeit kennt keine untere Armutsgrenze. Nur eine OBERE

Ernst hat sich nachher noch zu uns gesellt und eine sehr einfache Lösung für das “Bettlerproblem in Graz” gefunden: Er fragte uns warum wir das nicht jeden Tag machen können? Dann bräucht er nicht mehr zu betteln….

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